Verfeinerter Coronafahrplan für Schulen

Offe­ner Brief an die Damen und Her­ren des Aus­schuss für Bil­dung und Kul­tus des Baye­ri­schen Landtags


Sehr geehr­te Damen und Her­ren des Aus­schuss für Bil­dung und Kul­tus des Baye­ri­schen Landtags,

im obi­gen Coro­na­fahr­plan (Dring­lich­keits­an­trag vom 20.10.2020) stel­len Sie fol­gen­de For­de­rung an die Staatsregierung:

Daher wird die Staats­re­gie­rung auf­ge­for­dert zu prü­fen, wie gewähr­leis­tet wer­den kann,
dass bei Ein­schrän­kun­gen des Prä­senz­un­ter­richts die­ser prio­ri­tär für die Schülerinnen
und Schü­ler der Abschluss­jahr­gän­ge aller Schul­ar­ten sowie für die Schü­le­rin­nen und
Schü­ler in der ers­ten und vier­ten Jahr­gangs­stu­fe und in der jeweils nied­rigs­ten Jahr­gangs­stu­fe an den wei­ter­füh­ren­den all­ge­mein­bil­den­den Schu­len (ein­schließ­lich Wirt­schafts­schu­len) so lan­ge wie ver­ant­wort­bar auf­recht­erhal­ten wird.“

Ihre For­de­rung, die Abschluss­jahr­gän­ge aller Schul­ar­ten zu prio­ri­sie­ren, unter­stüt­zen wir.
Wir kön­nen jedoch nicht nach­voll­zie­hen, dass die Anfangs­klas­sen beruf­li­cher Schu­len (außer Wirt­schafts­schu­len) von Ihrer For­de­rung aus­ge­nom­men sind.

Gera­de wenn Schü­le­rin­nen und Schü­ler aus der Mit­tel­schu­le bzw. der Real­schu­le an die Berufs­schu­le wech­seln, ist es — im ers­ten Jahr sehr wich­tig, dass die­se vor Ort, also im Prä­senz­un­ter­richt sind. Der Schul­typ und die Unter­richts­wei­se (Tages- oder Block­un­ter­richt) par­al­lel zur Aus­bil­dung im Betrieb stellt eine erhöh­te Her­aus­for­de­rung für die Schü­le­rin­nen und Schü­ler dar. Hin­zu kommt, dass das ers­te Jahr bei Aus­bil­dun­gen mit gestreck­ter Prü­fung einen nicht zu unter­schät­zen­den Prü­fungs­an­teil (Teil I der Abschluss­prü­fung) dar­stellt – eine schlech­te Note beein­flusst hier nicht nur das Gesamt­ergeb­nis äußerst nega­tiv, son­dern wirkt auch sehr demo­ti­vie­rend. Die­se Prü­fung fin­det im Nor­mal­fall zwi­schen dem 12ten und 18ten Monat statt, also kurz nach dem ers­ten Schul­jahr. Wird sie im Distanz­un­ter­richt abge­hal­ten, ist dies beson­ders für schwa­che Schü­le­rin­nen und Schü­ler sehr schwierig.

Die Berufs­aus­bil­dung dau­ert im Regel­fall drei Jah­re, gute Schü­le­rin­nen und Schü­ler kön­nen sie um ein hal­bes Jahr ver­kür­zen, sie dau­ert dann also zwei­ein­halb Jah­re. Für Schü­le­rin­nen und Schü­ler mit Hoch­schul­zu­gangs­be­rech­ti­gung wird meist ein Aus­bil­dungs­ver­trag über zwei Jah­re abge­schlos­sen. Die­ser kann auch um ein hal­bes Jahr ver­kürzt werden.
Was bedeu­tet dies aber für sehr gute Schü­le­rin­nen und Schü­ler (meist Stu­di­en­ab­bre­cher)? Teil I der Abschluss­prü­fung wird im Sep­tem­ber nach dem ers­ten Jahr geschrie­ben (hier gilt obi­ges auch), Teil II Anfang Novem­ber. Für die Berufs­schu­le ist es nicht ein­fach, das hal­be Jahr Unter­richt (also sechs von zwölf Wochen) vor der Prü­fung unter­zu­brin­gen. Erschwe­rend kommt hin­zu, dass die Schü­le­rin­nen und Schü­ler nicht an der Prü­fung teil­neh­men dür­fen, wenn die Klas­se kurz vor der Prü­fung in Qua­ran­tä­ne geschickt wur­de – somit kön­nen die Schü­ler erst ein hal­bes Jahr spä­ter die Prü­fung able­gen. Dies bedeu­tet meist, dass die letz­ten zwei Wochen vor der Prü­fung kein Prä­senz­un­ter­richt für die­se Abschluss­schü­le­rin­nen und ‑schü­ler statt­fin­den kann, da das Risi­ko der Qua­ran­tä­ne sehr hoch ist.
Jetzt kann man natür­lich argu­men­tie­ren, dass die vor­zei­ti­ge Prü­fung ja „selbst­ver­schul­det“ ist und man guten Schü­le­rin­nen und Schü­lern zumu­ten kann, den gesam­ten Stoff — über drei Jah­re auf ein­ein­halb Jah­re ver­kürzt — auch allei­ne zu meistern.

Es stellt sich auch die Fra­ge,  wel­chen Weg sehr gute Schü­le­rin­nen und Schü­ler ein­schla­gen. Dies gilt vor allem für Stu­di­en­ab­bre­cher, die mehr­mals die Prü­fung in einem Teil­ge­biet, wie z. B. Höhe­re Mathe­ma­tik, nicht geschafft haben und somit für die­se Stu­di­en­rich­tung gesperrt sind: Die­se wer­den „nur“ mit einer Aus­bil­dung nicht lan­ge glück­lich sein, also wer­den sie ver­su­chen einen Meis­ter, Tech­ni­ker, Fach­wirt oder einen IHK-Pro­fes­sio­nal — oder ähn­lich z. B. IT-Pro­fes­sio­nal zu machen. Je nach Typ sind aber die zur Ver­fü­gung ste­hen­den Plät­ze gede­ckelt. Das bedeu­tet, dass nur eine bestimm­te Anzahl an jun­gen Erwach­se­nen auf­ge­nom­men wird. Hier ent­schei­den im Wesent­li­chen die Abschluss­no­te der Berufs­aus­bil­dung und die Anzahl an Berufs­jah­ren. Durch Distanz­un­ter­richt (in der ers­ten Jahr­gangs­stu­fe und vor der Prü­fung) die­ser Schü­le­rin­nen und Schü­ler ist zu erwar­ten, dass die Note ent­spre­chend nicht so gut aus­fällt und sie even­tu­ell kei­nen Platz bekommen.

Daher neh­men Sie bit­te das ers­te Jahr an beruf­li­chen Schu­len auch in den Prä­senz­un­ter­richt auf.

Es besteht sicher Kon­sens, dass eine beson­de­re För­de­rung von schwä­che­ren Schü­le­rin­nen und Schü­lern mit schlech­ten Noten wich­tig ist, jedoch  dür­fen wir auch die leis­tungs­star­ken Schü­le­rin­nen und Schü­ler nicht ver­ges­sen. Auch sie müs­sen die Mög­lich­keit haben mit ent­spre­chen­der För­de­rung sehr gute Noten zu errei­chen. Denn gera­de die­se Schü­le­rin­nen und Schü­ler machen sich nach kur­zer Zeit selbst­stän­dig oder grün­den ihre eige­ne Fir­ma und stär­ken so den Klein- und Mittelstand.

Daher den­ken Sie bit­te beim The­ma Schu­le nicht nur an Kin­der und Jugend­li­che und die jewei­li­gen Schul­ab­schlüs­se, son­dern auch an jun­ge Erwach­se­ne und die Berufsausbildung.

Mit freund­li­chen Grüßen

Micha­el NiedermairBär­bel Ebner
Schrift­füh­rerVor­sit­zen­de

Für den Arbeits­kreis für Schu­le, Bil­dung und Sport in Ober­bay­ern  (CSU AKS Obb)